Experteninterview mit Alicia C. Behrendt

Das älteste, familiengeführte Immobilienunternehmen Deutschlands, Artur Caesar Behrendt Immobilien, wird bereits in der 6. Generation geführt. Alicia C. Behrendt leitet das Unternehmen aktuell gemeinsam mit ihrem Vater Alexander Caesar Behrendt und ihrer Schwester Anastasia C. Behrendt. Seit dem 21. April 1888 überzeugt die Firma durch professionelle Immobilienberatung und einem einzigartigen Netzwerk in der Hauptstadt.  Heute steht uns Frau Alicia C. Behrendt, die seit 2017 im Familienunternehmen tätig ist, für ein Interview zum spannenden Thema „Mietendeckel“ zur Verfügung und beantwortet Fragen über den aktuellen Stand und potenzielle Entwicklungsmöglichkeiten.

  1. Frau Behrendt, Sie leiten die Artur Caesar Behrendt Hausverwaltung: Was sagen Sie, sind die Mieten in Berlin überdurchschnittlich hoch?

Seit einigen Jahren leite ich das Team der Hausverwaltung und aus Erfahrung können wir sagen, dass überhöhte Mieten in Berlin eher eine Ausnahme sind. Natürlich gibt es, wie in jeder anderen Stadt, auch in Berlin Ausnahmen. Diese sind jedoch selten. Vergleichbar zu anderen pulsierenden Metropolen, wie zum Beispiel London, Stockholm oder Paris sind die Mieten in Berlin nicht überdurchschnittlich hoch.

  1. Frau Behrendt, bitte erklären Sie kurz, was bedeutet der Mietendeckel überhaupt?

Das Berliner Mietendeckel-Gesetz (MietenWoG) gilt seit dem 23.02.2020. Seitdem sind in der Stadt die Mieten auf dem Stand von Juni 2019 eingefroren. Derzeit ist das Ergebnis allerdings noch offen und wird beim Bundesverfassungsgericht geprüft. Eine Entscheidung wird im zweiten Quartal 2021 erwartet.

Mit dem Mietendeckel werden die Mieten nicht nur gedeckelt oder eingefroren, sondern teilweise sogar abgesenkt. Er gilt für rund 1,5 Millionen freifinanzierte Wohnungen – das sind mehr als 90 Prozent aller Berliner Mietwohnungen.

Zu beachten ist, dass der Mietendeckel nicht überall greift, es gibt Ausnahmen: Das Mietendeckelgesetz greift beispielsweise nicht für öffentlich geförderte Wohnungsbauten (Sozialwohnungen) und nicht für Wohnungen, die mit öffentlichen Mitteln instandgesetzt oder modernisiert wurden und für die eine Mietpreisbindung gilt.

Er gilt auch nicht für Neubauten, die ab dem 1. Januar 2014 erstmalig bezugsfertig wurden, sowie für dauerhaft unbewohnbaren und unbewohnten Wohnraum, der mit Neubauaufwand wieder hergestellt wird.

  1. Wie viele Mieter profitieren bereits vom Berliner Mietendeckel?

Viele Mieter profitieren vom Mietendeckelgesetz, die Frage ist nur wie lange. Sollte der Mietendeckel für verfassungswidrig erklärt werden, kann es gut sein, dass die Differenz nachgezahlt werden muss.

Bei vielen Wohnungen hat sich am Mietpreis nichts verändert. Aufgestockt werden, darf die Miete nicht. Wir vermieten teilweise Wohnungen für 2,50 – 3,00 € pro Quadratmeter, das sind oft Wohnungen, die bei der Neuvermietung komplett saniert und renoviert werden müssen. Die Kosten dieser Arbeiten tragen sich durch diese geringen Mieteinnahmen nicht oder erst nach vielen Jahren.   

Die Baukosten steigen und die Gewerke erhöhen dementsprechend ihre Kosten. Trotz niedrigeren Mieten sollen Sanierungen, Renovierungen und Instandhaltungen vom Eigentümer getragen werden. Die niedrigen Mieteinnahmen können zur Folge führen, dass viele Eigentümer nicht mehr in ihre Immobilien investieren werden oder nur noch die nötigsten Arbeiten ausführen lassen, was wiederum für den Mieter von Nachteil ist.

  1. Müssen Mieter mögliche Mietsenkungen selbst durchsetzen? Schaffen es die Mieter selbst oder ist das Ganze ein Konjunkturpaket für den Berliner Mieterverein?

Die Vermieter mussten die Mieter bis Ende April 2020 darüber informieren, wie sie die Wohnung im Hinblick auf Ausstattung und Lage und daraus gehend die neue Miete einstufen. Laut der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, haben sich die meisten Vermieter in Berlin an diese Vorgaben gehalten. Nicht zuletzt, da Vermietern, die gegen die Rege­lungen des neuen Gesetzes verstoßen, hohe Bußgelder drohen.

  1. Was versteht man unter einer Schattenmiete? Wird eine höhere Miete fällig, wenn der Mietendeckel rechtswidrig sein sollte?

Bei einer Schattenmiete handelt es sich um einen zweiten, höheren Mietpreis, der im Mietvertrag vereinbart wird. Dieser kommt dann zur Anwendung, falls der Mietendeckel als verfassungswidrig erklärt wird. Oftmals finden sich in den Wohnungsmietverträgen auch Klauseln, welche die Differenz zwischen dem derzeitigen Mietpreis und dem zweiten Betrag rückwirkend fordern. Dies kann man also auch als Absicherung für den Eigentümer betrachten. Die im Mietvertrag vereinbarte höhere Miete überschreitet meist kaum den Mietpreis des Vormieters.

Es entsteht ein großer Verwaltungsumtrieb mit aufwendigen Berechnungen, Informationsschreiben und Preisfestlegungen – die in ein paar Monaten dann möglicherweise wieder rückgängig gemacht werden müssen.

  1. Das Bundesverfassungsgericht will bis Mitte diesen Jahres entscheiden, ob der Mietendeckel verfassungswidrig ist oder nicht. Glauben Sie, dass das Gesetz gekippt wird?

Meiner Meinung nach, sollte bezahlbarer Wohnraum bewahrt werden und es ist klar, dass eine Stadt wie Berlin eine Rechtssicherheit braucht. Allerdings erscheint der Mietendeckel noch sehr undurchdacht. Insbesondere, da durch den Mietspiegel und die Mietpreisbremse eine Regelung größtenteils gewährleistet war. Diese wurden teilweise in Großstädten wie München, Hamburg und Berlin nicht eingehalten. Ein Grund dafür war, dass Vermieter keine Sanktionen fürchten mussten und die Grenze oft ignoriert wurde. Das alles müsste ordentlich durchgesetzt werden und dann wären die Mieten in Berlin auch wieder gerechtfertigt.

Wie schon erwähnt, wollen Bundestagsabgeordnete das Mietendeckelgesetz komplett stoppen und haben dafür eine Normenkontrollklage eingereicht. Zeitgleich haben Berliner Fraktionen Klage beim Verfassungsgerichtshof auf Landesebene eingereicht. Es wird vor allem der Eingriff in die Grundrechte der Eigentümer kritisiert.

  1. Der Mietendeckel ist auf fünf Jahre ausgelegt. Was kommt eigentlich danach?

Womöglich wird dies zu Folge haben, dass weniger investiert wird und viele Häuser und Wohnungen verwahrlosen werden.

Der Mietendeckel ist ein Vorhaben, welches schon vor 85 Jahren nicht funktioniert hat. Die Erfinder des Mietendeckels sind nicht die Berliner Koalitionsparteien, sondern die Nationalsozialisten. 1936 ordnete die Reichsregierung an, die Mieten in Deutschland einzufrieren. Die Volksgenossen sollten davor bewahrt werden, aufgrund des großen Wohnungsmangels immer höhere Mieten zu zahlen. Das führte zu einem unübersehbaren Verfall der Stadt.

Wenn weniger investiert wird, trifft das vor allem auch die kleinen- bis mittelständischen Handwerkerunternehmen ziemlich stark. Bereits jetzt merken viele Betriebe, dass Aufträge aufgrund des Mietendeckels storniert werden.

Das jetzige Problem des Angebot-Nachfrageverhältnisses, wird mit dem Mietendeckel nicht gelöst sein. Man merkt zwar in Berlin, dass viel gebaut wird, sodass das Angebot in Zukunft wahrscheinlich größer werden wird, allerdings sind Neubauten nicht an den Mietendeckel gebunden. Durch die Differenz der Mieten für Neu- und Altbauten entsteht eine große Kluft und Ungleichheit der Mieten in Berlin.

Frau Behrendt, ich danke Ihnen für Ihre Zeit und für die ausführlichen Erklärungen rund um den Mietendeckel. Was am Ende entschieden wird und wie es mit den Mietwohnungen in Berlin aussehen wird, entscheidet sich in Kürze! Wir bleiben gespannt!